Zierliche Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis)

Merkmale

Größe:

Mit einer Körperlänge von 35 bis 37 mm und einer Flügelspannweite von 55 bis 65 mm eine mittelgroße Moosjungfern, die relativ gedrungen und breitflügelig wirkt.

Männchen:

Gesicht und Hinterleibsanhänge weiß. Die vordere Hälfte des Hinterleibs ist bei ausgefärbten Tieren weißlich-blau bereift, das Hinterleibsende ist schwarz und keulenförmig verdickt. Eindeutiges Merkmal sind die nur auf der Oberseite weiß gefärbten Flügelmale.

Weibchen:

Gesicht und Hinterleibsanhänge weiß, das Flügelmal ist schwarz gefärbt. Schwarze Grundfärbung mit gelben Flecken auf den Hinterleibssegmenten zwei bis sechs. Hinterleibsende leicht verbreitert. Alte Weibchen können eine schwache Bereifung entwickeln.

Larve/Exuvie:

Länge der letzten Larvenstadien/Exuvie 17 bis 21 mm. Fangmaske korbförmig, Prämentum relativ lang und schmal. Hinterleib stark verbreitert und mit deutlich ausgeprägten Rückendornen, unterseits mit auffälligen dunklen Querbändern.  Seitendornen an den Hinterleibssegment sieben bis neun, die an Segment neun sehr lang und reichen bis zum Ende der Analpyramide.

Verbreitung

Gesamtverbreitung:

Eurosibirische Art, die von der französischen Atlantikküste bis nach Westsibirien zu finden ist. Zusammenhängende Vorkommen gibt es in Europa nur im Ostseeraum und im nördlichen Frankreich. In Mittel- und Westeuropa ansonsten nur zerstreut, regional sind die Vorkommen auch erloschen. Der Mittelmeerraum ist nicht besiedelt, Nachweise in Weißrussland, Russland und der Ukraine selten, letzteres geht wahrscheinlich auf Erfassungsdefizite zurück.

Deutschland:

In Deutschland galt die Art um die Jahrhundertwende als nahezu ausgestorben. Gegenwärtig ist eine erneute Ausbreitung der Art bei uns zu beobachten, wobei Brandenburg und das südliche Mecklenburg einen deutlichen Schwerpunkt der Neubesiedlung darstellen, die sich inzwischen zunehmend nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen ausdehnt. Eine Fundpunkthäufung ist auch im nördlichen Oberrheingraben festzustellen.

Schleswig-Holstein:

Bei uns aktuell auf die östlichen und südlichen Landesteile beschränkt, eine weitere Arealausdehnung ist zu erwarten.

Bestand in Schleswig-Holstein

Nach ersten Nachweisen auf Helgoland Ende des 18. Jahrhunderts und im Raum Lübeck in den Jahren 1941/1942 wurde die Art erstmalig 2011 wieder in Schleswig-Holstein beobachtet. Inzwischen haben sich Populationen im Raum Lübeck und nördlich von Hamburg etabliert. Die Einstufung in der Roten Liste Schleswig-Holsteins als „ausgestorben/verschollen“ ist damit überholt.

Biologie

Überwinterung: als Larve

Dauer Larvalentwicklung: ein bis zwei Jahre

Schlupfzeit in SH: Anfang Mai bis Mitte Juni

Flugzeit in SH: Anfang Mai bis Anfang Juli.

Verhalten:

In der Reifephase abseits des Entwicklungsgewässers, die wahrscheinlich in den Baumkronen verbracht wird, abseits wandern einige Individuen ab und finden so andere geeignete Habitate. Genetische Untersuchungen an Exuvien haben ergeben, dass neue Populationen wahrscheinlich nur von wenigen Tieren abstammen und sich genetisch oft nur wenig von denen anderer durchaus auch weiter entfernten Gewässern unterscheiden.

Geschlechtsreife Männchen sind weitgehend ortstreu und besetzen Reviere. Dabei stellen kleine Algenteppiche oder Schwimmblätter gute Sitzwarten dar, die nur kurz für Patrouillienflüge verlassen werden. Eindringende Rivalen werden sofort angegriffen und vertrieben.

Paarung und Eiablage:

Die Paarung wird am Wasser und im Flug eingeleitet und am Ufer an Gehölzen sitzend vollzogen.

Die Eiablage erfolgt im Flug unter wippenden Bewegungen in flutende Vegetationsbestände, in der Regel unter Bewachung durch den Partner. Dabei berührt das Hinterleibende die Wasseroberfläche und streift dabei die Eier ab.

Lebensräume

Imagines:

Bei uns in größeren klaren Abbaugewässern in sonnenexponierter, aber gleichzeitig windgeschützter Lage (z. B. durch Gehölze) mit gut ausgebildeter Schwimm- und Tauchblattvegetation und einer Flachwasserzone mit Seggen- und Binsenbewuchs und alkalischem Milieu.

Larven:

Halten sich in geringer Tiefe in den Tauchblattbeständen auf. Die marmorierte Tarnfärbung und die kräftigen Rücken- und Seitendornen scheinen eine wirksamen Schutz gegenüber Fischfraß zu bieten.

Gefährdung

Rote Liste Schleswig-Holstein 2011: ausgestorben bzw. verschollen

Rote Liste Deutschland 2014: gefährdet

Gefährdungsursachen: Sukzession der Fortpflanzungsgewässer mit Aufwuchs von Gehölzen und zunehmender Beschattung. Freizeitnutzung mit Vertritt der Ufer. Angelnutzung mit sehr starkem Fischbesatz und Entfernung der Tauchblattvegetation

Schutz

Europäische Union (FFH-Richtlinie): Anhang IV

Deutschland (BNatSchG): streng geschützt

Schutzmaßnahmen: Renaturierung von Abbaugruben durch „Liegenlassen“. Entwicklung von Pflegkonzepten, die einen zu starken Gehölzaufwuchs an den Fortpflanzungsgewässern verhindern und die Gewässer mindestens teilweise offenhalten. Übermäßige Freizeitnutzung (Badesee, Angelsee) verhindern

Literatur

  • ARBEITSKREIS LIBELLEN SCHLESWIG-HOLSTEIN (Hrsg.) (2015): Die Libellen Schleswig-Holsteins. – Natur + Text, Rangsdorf.
  • BROCHARD, C.; D. GROENENDIJK; E. VAN DEN PLOEG & T. TERMAAT (2012): Fotogids Larvenhuidjes van Libellen. – KNNV Uitgeverij, Zeist.
  • BROCKHAUS, T.; H.-J. ROLAND; T. BENKEN; K.-J. CONZE; A. GÜNTHER; K.G. LEIPELT; M. LOHR; A. MARTENS; R. MAUERSBERGER; J. OTT; F. SUHLING; F. WEIHRAUCH & C. WILLIGALLA (Hrsg.) (2015): Atlas der Libellen Deutschlands. – Libellula Supplement 14.
  • DIJKSTRA, K.-D. B. / SCHRÖTER, A. (Hrsg.) (2021): Libellen Europas. Ein Bestimmungsführer. – Haupt-Verlag, Bern. (überarbeitete Neuauflage)
  • MAUERSBERGER, R.; F.J. SCHIEL & K. BURBACH (2004): Verbreitung und aktuelle Bestandssituation von Leucorrhinia caudalis in Deutschland (Odonata: Libellulidae). - Libellula 22(3/4): 143-183.
  • STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (Hrsg.) (2000): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen (Anisoptera), Literatur. - Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
  • WILDERMUTH. H. & A. MARTENS (2019): Die Libellen Europas. Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. – Quelle & Meyer, Wiebelsheim.

A. Bruens