Kleiner Blaupfeil (Orthetrum coerulescens)

Merkmale

Größe:

Relativ kleine Großlibelle, etwa 36 bis 45 mm lang.

Männchen:

Gesicht und Brust braun mit hellen Antehumeralstreifen. Flügelmal groß, langgestreckt und hell. Hinterleib abgeplattet, schmal, unausgefärbt wie Weibchen, ausgefärbt vollständig blau bereift.

Weibchen:

Gesicht und Brust braun mit hellen Antehumeralstreifen. Flügelmal groß, langgestreckt und hell. Hinterleib abgeplattet, schmal, gelb oder ockerfarben, mit dünner schwarzer Mittellinie, auf Segment drei bis sieben mit kurzen Querbalken, die selten zu Punkten aufgelöst sind.

Larve/Exuvie:

Länge der letzten Larvenstadien/Exuvie 18 bis 25 mm. Körper mit breiterem, abgeflachten Hinterleib. Labialpalpus der Fangmaske am distalen Rand mit langen Borsten. Rückendorn auf Hinterleibssegment fünf fehlt oder ist nur angedeutet, Segmente acht und neun mit kleinen Seitendornen.

Verbreitung

Gesamtverbreitung:

Mittelmeerraum sowie West- und Mitteleuropa. Das Areal reicht von Irland im Westen bis Afghanistan und Pakistan im Osten. Im Süden  geht die Verbreitung bis nach Marokko, im Norden bis Schottland, Südskandinavien, Südfinnland und in Teilen Russland.

Deutschland:

Sehr zerstreut mit Schwerpunkt Oberrheinebene, Alpenvorland, Teile des Tieflands von Niedersachsen und Brandenburg sowie Thüringer Becken. Größere Verbreitungslücken sind an der Nord- und Ostseeküste und im südwestdeutschen Schichtstufenland zu erkennen. 

Schleswig-Holstein:

Bis Ende 2010 nur im äußersten Südosten des Landes nachgewiesen. Die Art scheint sich inzwischen aber auch in der Geest zu etablieren (Kreise Steinburg und Rendburg).

Bestand in Schleswig-Holstein

Eine bei uns aktuell extrem seltene Art, die nach dem Erlöschen ehemaliger Vorkommen im Kreis Herzogtum Lauenburg, wie dem am Lottseebach in den 1970er Jahren, erstmals wieder im Sommer 2009 bei Escheburg mit wenigen Tieren beobachtet wurde. Sie war aber in den Folgejahren dort nicht mehr feststellbar. 2013 wurde eine größere Zahl von Männchen in Bad Schwartau festgestellt, in der Umgebung des Fundorts befinden sich zahlreiche Wiesengräben, die als Entwicklungsgewässer in Frage kommen. Aktuell existiert ein bodenständiges Vorkommen bei Lägerdorf südlich Itzehoe, außerdem wurden im Jahr 2021 einige Männchen an Bächen im Aukrug beobachtet.

Biologie

Überwinterung: als Larve

Dauer Larvalentwicklung: zwei bis drei Jahre

Schlupfzeit in SH: Nicht bekannt

Flugzeit in SH: Anfang Juni bis mindestens Anfang August

Verhalten:

Die Reifungsperiode dauert zwei bis drei Wochen. Die Tiere halten sich auf Wiesen, Heiden und in Waldnähe auf, einige streifen auch weit umher und besiedeln neue Habitate.

Die reifen Männchen halten sich regelmäßig an der Fortpflanzungsgewässern auf und bilden an besonnten Stellen Reviere. Sie besetzten Sitzwarten und starten von diesen aus regelmäßig zu Patrouillienflügen und zur Jagd. Anderen Männchen werden sofort vertrieben. Bei hoher Individuendichte gehen einige Männchen dazu über, von Revier zu Revier zu ziehen und auf zufällige Paarungserfolge zu hoffen (sogen. Satelliten). Die Weibchen kommen nur zur Paarung und Eiablage ans Gewässer.

Paarung und Eiablage:

Die Paarung wird im Flug eingeleitet. dann fliegt das Tandem kurz wippend über die Wasseroberfläche, anschließend setzt sich das Paar am Ufer ab. Die Paarung kann wenige Sekunden dauern, sich aber auch über eine halbe Stunde hinziehen.

Das Weibchen fliegt für die Eiablage rüttelnd über der freien Wasserfläche und tippt in einer wippenden Bewegung mit dem Hinterleibsende kurz die Oberfläche an. Dabei werden die Eier ins Wasser abgegeben. Wenn sich die Eiablage direkt an die Kopulation anschließt, wird die Eiablage vom Reviermännchen überwacht.

Lebensräume

Imagines:

Besiedelt in Schleswig-Holstein kleine Wiesenbäche und Rinnsale in Abbaugebieten, in der Regel nicht breiter als 1,50 m und nicht tiefer als 30 cm. Die Gewässer sind relativ offen und weisen wenig bis keine Beschattung durch Ufergehölze auf. Der Gewässergrund besteht aus Feinsedimenten. Die Vegetation setzt sich aus lockeren niedrigwüchsigen Röhrichten oder Gräsern sowie krautigen Wasserpflanzen wie Berle und Wasserminze zusammen.

Larven:

Im Schlamm, Detritus oder zwischen Wasserpflanzen in strömungsarmen Flachwasserzonen mit guter Sauerstoffversorgung zu finden.

Gefährdung

Rote Liste Schleswig-Holstein 2011: vom Aussterben bedroht

Rote Liste Deutschland 2014: ungefährdet

Gefährdungsursachen: intensive Unterhaltung von Wiesengräben bzw. fehlende Pflege mit der Folge der Entwicklung hochwüchsiger Vegetation und Verlandung 

Schutz

Europäische Union (FFH-Richtlinie): -

Deutschland (BNatSchG): besonders geschützt

Schutzmaßnahmen: schonende Unterhaltung der Entwicklungsgewässer, z. B. abschnittsweise Räumung und die Entwicklung von Ufergehölz begrenzen. Erstellung und Umsetzung von an die Ansprüche der Art angepassten Pflegekonzepten

Literatur

  • ARBEITSKREIS LIBELLEN SCHLESWIG-HOLSTEIN (Hrsg.) (2015): Die Libellen Schleswig-Holsteins. – Natur + Text, Rangsdorf.
  • BROCHARD, C.; D. GROENENDIJK; E. VAN DEN PLOEG & T. TERMAAT (2012): Fotogids Larvenhuidjes van Libellen. – KNNV Uitgeverij, Zeist.
  • BROCKHAUS, T.; H.-J. ROLAND; T. BENKEN; K.-J. CONZE; A. GÜNTHER; K.G. LEIPELT; M. LOHR; A. MARTENS; R. MAUERSBERGER; J. OTT; F. SUHLING; F. WEIHRAUCH & C. WILLIGALLA (Hrsg.) (2015): Atlas der Libellen Deutschlands. – Libellula Supplement 14.
  • DIJKSTRA, K.-D. B. / SCHRÖTER, A. (Hrsg.) (2021): Libellen Europas. Ein Bestimmungsführer. – Haupt-Verlag, Bern. (überarbeitete Neuauflage)
  • STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (Hrsg.) (2000): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen (Anisoptera), Literatur. - Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.